Das Örtchen Chimay ist Namensgeber für ein bekanntes Trappistenbier. Die Herstellung und der Sitz des Klosters ist aber einige Kilometer außerhalb von Chimay im Vorort Baileux angesiedelt. Bei meinem Besuch entdeckte ich eine Menge interessanter Dinge.
Wer meint, dass das Chimay-Bier aus dem gleichnamigen Städtchen stammt, irrt gewaltig. Der mitunter hügelige Weg dort hin führt über Landstraßen. Abschnitte mit freier Sicht auf Getreidefelder wechseln sich mit Streckenabschnitten durch Waldgebiet ab. Bis ich auf einmal das pittoreske Chimay erreiche, aber vom Navi direkt wieder aus der Innenstadt hinausgelotst werde. Tatsächlich ist das Trappisten-Kloster und seine Brauerei einige Kilometer vom namensgebenden Ort entfernt und zwar im Vorort Baileux.
Wenig später sagt mir mein elektronischer Pfadfinder, dass ich das Ziel erreicht habe. Ich stehe vor einem eher unscheinbaren Weg, der von einer Backsteinmauer gesäumt ist, mitten in einem Waldgebiet. Dahinter erstreckt sich der Weg zum Kloster-Gebäudekomplex. Die Kern-Anlage bildet ein Rechteck aus drei Gebäudeteilen. Eine Mauer auf der gegenüberliegenden Schmalseite schließt die Anlage ab. Die aus riesigen, grob gehauenen, grauen Steinen gefertigten Gebäude wirken so, als ob sie schon seit dem Mittelalter dort stehen. Der Baustil? Eine Art „reduzierte Gotik“. Ein klein wenig unnahbar wirkt das schon.
Strassenschild des belgischen Städtchens Chimay.
Blick in die Vorhalle des Klosters Chimay
Blick in die Vorhalle des Klosters Notre-Dame de Scourmont.
Tür zum Innenhof des Klosters Notre-Dame de Scourmont.
Blick in einen der Flure des Klosters.
Das Interieur besticht durch Kargheit.
Teile der Kloster-Gänge und der Park des Klosters
Notre-Dame de Scourmont stehen Besuchern offen.
Die Flure besitzen das Flair von 50er Jahre Büro-Trakten.
Die Parkanlage des Klosters Notre-Dame de Scourmont lädt zum Flanieren und Verweilen ein.
Der Altarraum der Klosterkirche
von Notre-Dame de Scourmont.
Die Klosterkirche von Notre-Dame de Scourmont besticht ebenfalls durch Kargheit.
Der Friedhof des Klosters Notre-Dame de Scourmont.
Einige der Gräber stehen schon rund 150 Jahre dort.
Das Espace Chimay informiert in einer Ausstellung über sämtliche Aspekte des Klosters Notre-Dame de Scourmont.
Blick in den Merchandising-Bereich des
Espace Chimay.
Chimay müsste eigentlich
Scourmont heißen
Doch Touristen, Interessierte und auch die Einheimischen sind herzlich Willkommen. Gleichwohl ist nur ein kleiner Teil der Gebäude für die Öffentlichkeit zugänglich. Zutritt erhalte ich nur in eine Vorhalle, die den Weg in den Innenhof freigibt sowie in die Klosterkirche. Die karge Ausstattung in den Innenräumen versprüht dabei das Flair eines Bürotrakts aus den 1950ern. Die Lebens-Maxime der Mönche „Ora et Labora“ zeigt sich in diesem Detail auf eindrucksvolle Weise. Bei meiner Besichtigung der Klosterkirche werde ich plötzlich Zeuge eines Gottesdienstes. Eine Handvoll Ortsansässiger, die sich kurz zuvor dort eingefunden haben, lauschen jetzt den Gesängen und feiern gemeinsam mit den Mönchen den Gottesdienst.
Ich will aber nicht weiter stören und begebe mich auf leisen Sohlen in den Innenhof der Klosteranlage.
Das malerische Areal mit seinen vielen Bäumen, das von einem Rundgang an den Gebäudeinnenseiten umsäumt ist, lädt zum Flanieren ein. Der Weg geht vorbei an massiven hohen Gebäudeteilen. Mit den schmalen Fenstern, die fast schon Schießscharten gleichen, wirkt das wenig einladend. Einzig ein paar Schornsteine, aus denen Dampf austritt, lockert die Szenerie etwas auf.
Wenig später weht mir auf einmal der charakteristische Duft von Maische und Hopfen in die Nase. Hinter diesen Mauern befindet sich die Brauerei. Eine Besichtigung ist nicht möglich. Alles ist abgeriegelt und die hohen, dicken Mauern vermitteln mir den Eindruck, als ob das Bier brauen einer Geheimwissenschaft gleich kommt. Tatsächlich hat dies aber wohl hygienische Gründe, was zwar schade, aber nachvollziehbar ist. Das Trappistenbier ist übrigens nicht das einzige Produkt. Die Abtei ist ebenfalls für ihren Schnittkäse nicht nur in Belgien bekannt.
Brauerei-Anlage innerhalb der Kloster-Mauern
Ich setze meine Erkundungstour fort und gelange im hintersten Eck des Areals zum Kloster-Friedhof. Auch dort ist die Kargheit allgegenwärtig. Ähnlich wie in Soldatenfriedhöfen reiht sich Grab an Grab, wobei die Reihen von kleinen Hecken abgegrenzt sind. Anstelle von Grabsteinen sind metallene Kreuze aufgestellt. Einige davon sind schon an die 150 Jahre alt. Schmückendes Beiwerk ist Fehlanzeige. Vielleicht liegt es auch am Regenwetter und dem grauen Himmel, aber auf eine ganz bestimmte Art herrscht eine seltsame Ruhe, die kontemplativ wirkt.
Wieder zurück auf dem Parkplatz vor dem Klostergelände entdecke ich einen Wegweiser mit mehreren Schildern. Eines weist auf die Abfüllanlage der Brauerei hin, die außerhalb der Klostermauern liegt. Auf einem anderen Wegweiser abseits dessen steht in großen Lettern „Espace Chimay“.
„Moment mal, da bin ich doch vorhin schon dran vorbeigefahren.“, kommt mir in den Sinn. Also flugs ins Auto gesetzt. Nach wenigen Kilometern mache ich Halt in Bourlers an der Auberge de Poteaupré, an deren Eingang in großen Lettern Espace Chimay prangt. Das Gebäude entpuppt sich als Kombination aus Museum, Hotel und Gaststätte. Hier erhält der Chimay-Fan eingehende Informationen rund um das Bierbrauen und Käse machen, Merchandising inklusive. Der Eintritt kostet acht Euro. Im Preis enthalten ist auch ein Glas Chimay dorée, das es in der Gaststätte gibt. Dazu später mehr.
Museum und Ausstellung im Espace Chimay
Es geht hier um die Geschichte des Klosters und darum, wie die Trappisten durch den Verkauf von Bier und Käse caritative Projekte unterhalten. Infotafeln demonstrieren anschaulich, wie aus Wasser, Malz, Hefe und Hopfen das Bier entsteht. Typisch für Chimay-Bier ist, dass beim Abfüllen des Bieres Zucker und Hefe hinzugegeben wird, um eine Flaschengärung in Gang zu setzen. Das sorgt nicht nur für einen höheren Alkoholgehalt, sondern macht das Chimay auch lange haltbar.
Ich verbringe etwas mehr als eine Stunde in dieser liebevoll gestalteten Ausstellung und freue mich anschließend auf das im Eintritt enthaltene Chimay dorée. Was ich in der Gaststätte erhalte ist ein glasklares, blondes Bier, untypischerweise in einem hohen schmalen Glas serviert. Dieser „Goldsaft“ ist sozusagen das Alltagsbier für die Mönche selbst. Nicht ganz so stark im Alkoholgehalt, zeichnet es sich durch eine charakteristische Hopfennote aus, das es kräftig, aber dennoch süffig macht. Bis vor ein paar Jahren gab es das Chimay dorée ausschließlich nur im Espace Chimay und war ansonsten nur den Mönchen vorbehalten. Seit 2014 ist das Chimay dorée aber auch im Laden erhältlich.
Für Trappistenbier-Fans ist der Besuch der Abtei und des Espace Chimay ein Muss. Der Besuch beider Stätten ist dabei in einem halben Tag erledigt. Die andere Hälfte des Tages empfiehlt sich der Besuch des mittelalterlichen Städtchens Chimay, inklusive Besichtigung des Schlosses der Grafen von Chimay. Aber das ist eine andere Geschichte …
Mehr info gibts unter www.chimay.com
Zur Geschichte:
Die Abtei Notre-Dame de Scourmont wurde 1850 aufgrund einer Landschenkung durch den Fürsten Joseph de Riquet de Caraman gegründet. Zunächst nur als Priorat eingerichtet, entstammten die dorthin entsandten Mönche aus dem Mutterkloster St. Sixtus in Westvleteren. 1871 bekam das Kloster den Rang einer Abtei. Die Produktion von Bier und Käse begann hingegen schon 1860.